„Zu weit für ein Klubtreffen, da wird niemand kommen“, lauten die Befürchtungen , als wir dieses Ziel im südöstlichsten Zipfel Österreichs für unser Alpenklubtreffen festlegen.
Die Straßen, über die man das Bodental erreichen kann, führen über etliche Pässe, unendliche Kurven und einsame Landstriche. Das schönste Tal im zweisprachigen Teil Kärntens liegt am Fuß der imposanten Vertatscha und in Sichtweite der Tscheppa-Schlucht mit dem gischtenden Tschaukofall. Schon auf dem Weg dorthin muss man einige Male anhalten und idyllische slowenisch-sprachige Dörfer mit urigen Höfen in Zell Pfarre oder Windisch Bleiberg bewundern. Ein abwechslungsreiches Potenzial für Wanderer, Bergsteiger und Mountainbiker tut sich auf. Im wilden österreichisch-slowenischen Hinterland sind die Berge felsig und hoch, die Kärntner Seen nahe, und die Leute wissen, was schmeckt. Im Gasthaus Sereinig kocht man so furios, dass man sich quer durch die ganze Speisekarte essen möchte – vom bodenständigen Ritschert, über die gehaltvollen Kärntner Nudeln bis zu den diversen Lammspezialiäten von den hauseigenen Brillenschafen.
Bereits am Donnerstagabend finden sich elf Alpenklubler im Gasthof Sereinig zum gemütlichen Zusammensitzen ein und lassen sich von der Wirtin für den nächsten Tag eine Wanderung auf den Rjauca, 1789 m, empfehlen. Sogar unsere lieben Mitglieder aus den Niederlanden reisen an!
Freitag, 28. 9. Rjauca, 1789 m: Markiert bis zum Gipfel sollte der Weg sein. Doch bereits die erste Abzweigung beim Wegweiser „Zum Gendarmerie-Denkmal“ lässt uns weitergehen. Erst einen Kilometer später wird uns klar, dass wir ihr hätten folgen sollen. Die Dreiviertelstunde auf der Forststraße ist nicht unbedingt nach unserem Geschmack, doch dann zeigt eine Markierung nach rechts in ein Bachbett, von dem ein Steiglein steil bergauf führt. Mischwälder bedecken die steilen Hänge dicht und urwaldähnlich. Die Laubbäume verfärben sich schon. Gelb, Orange und Weinrot leuchten sie in der Sonne aus den dunklen Grüntönen. Unzählige Pilze wachsen neben und direkt auf dem Steig. Leider sind wir keine Experten und können nur die Fliegenpilze mit Sicherheit bestimmen – köstliche Rotkappen und Maronenröhrlinge, klärt uns Lilo Schell am nächsten Tag auf. Über einige Felsstufen und die Weiße Wand erreichen wir den Bergkamm, der direkt auf den schönen Gipfel führt – welch ein Ausblick. Aug in Aug stehen wir der Vertatscha-Nordwand gegenüber und blicken auf Hochobir, Petzen, Loibler Baba, Koschutakamm und viele weitere Gipfel. Hoch über uns kreist ein Adler.
Eigentlich wollten wir hier die Gruppe von Anna Szalay und Hannes Neuwirth treffen, doch diese hat die Abzweigung verpasst und folgt einem „Eingeborenen“ mit Strohhut auf einem abenteuerlichen Steig über die Heilige Wand zum Gipfel. Für unmarkierte Steige braucht es in den Karawanken schon ein ordentliches Quantum an Bergerfahrung. Die 800 Höhenmeter haben es in sich, aber die Tour ist eine Freude für Trittsichere und Schwindelfreie. Mit „unserem“ Abstieg ergibt sich eine anspruchsvolle Runde und Hannes kommt gerade recht, als ein Brillenschafbaby das Licht der Welt erblickt.
Wir sitzen schon im Gastgarten unter alten Linden und Kastanienbäumen und schmausen mit Blick auf saftig grüne Wiesen, auf denen die seltenen Brillenschafe weiden und bewaldete Hänge mit schroffen Felsnasen und Gipfeln, die verlockend im Abendrot glühen. Leo Graf, Helmut Chorvat, Adi Mokrejs, Franz Österreicher usw. spazieren soeben vom „Meerauge“ und der „Märchenwiese“ zurück. Nach und nach werden alle Zimmer im Gasthof bezogen. Nur mehr im Lager gibt es Restplätze für Nichtangemeldete aber herzlich Willkommene wie Christina & Sigi Weippert.
Samstag, 29. 9., beste Bedingungen für den Hochstuhl-Klettersteig: Zu elft brechen wir ins Bärental auf und steuern unsere Autos drei Kilometer über die holprige Versorgungsstraße der Klagenfurter Hütte aufwärts. Über ein langes Schuttfeld erreichen wir den Einstieg des Klettersteiges. Ein eisiger Wind verhindert, dass wir ins Schwitzen kommen, als wir über Felsstufen und Eisentritte höher turnen. Am Grenzkamm, der zur Bärntaler Kotschna zieht, hängt eine Wolkenbank. Auch der Hochstuhl-Gipfel, 2237 m, befindet sich genau an der Grenze.
Beim Abstieg wird es mit jedem Schritt wärmer. Wir blicken begeistert in die Felswildnis der Selenitza. Dann geht’s an der Klagenfurter- und Edelweißspitze vorbei, unangenehme Schutthänge sind zu queren bis wir den Bielschitza-Sattel erreichen und zur Klagenfurter Hütte und dem Parkplatz hinunter wandern. Andere Klubmitglieder waren auf der Ogrisalm und dem Kosiak unterwegs.
Hans Tuschar verkürzt seinen Urlaub in Süditalien, um seinen 77sten Geburtstag mit uns zu feiern. Er erzählt uns interessante Geschichten über das Rosental, zeigt uns eine Diaschau mit wunderbaren Bildern aus seiner Heimat und empfiehlt uns eine Reihe schöner Bergtouren in den Karawanken. Wir haben die Qual der Wahl.
Sonntag, 30. 9., Tscheppaschlucht: Dieses lohnende Ziel „vor der Haustür“ wollen wir nicht verpassen. Danach geht’s noch zum Ossiacher See, wo uns Kurt Diemberger in seinem Ferienhaus empfängt. Einige Klubmitglieder besuchen das Partisanenmuseum im Persmanhof und genießen vom Gasthaus Riepl am Luschasattel die Aussicht zu den Steiner Alpen. Christine Eberl, Anneliese Scharbl und Hedda Heim hat Hans Tuschar mit
seiner Schilderung rund um die Begunjska fasziniert. Vom Loiblpass steigen sie zur Selenitza auf. Bei ihrer Runde kommen sie auch durch Tunnels und an ehemaligen Stellungen vorbei, die an das sinnlose Morden des Krieges erinnern. Hier wurde um jeden Meter gekämpft.
Montag, 1. 10., Felsentore & Hochobir: Der Hochobir bzw. die Felsentore bei Bad Eisenkappel sind die heutigen Ziele einiger Alpenklub-Mitglieder. Warntafeln und Torstahl-eingezäunte Hühnerställe erinnern im Remschenigtal daran, dass hier Bären vorkommen, auch Wölfe soll es geben. In Slowenien streifen allerdings weitaus mehr von ihnen durch die Wälder, Probleme gibt es nicht. Nur wir in Österreich fürchten uns gerade sehr.
Der Steig zu den Felsentoren ist gesperrt – vorübergehend! Waldarbeiten? Das kann uns nicht abhalten. Wir folgen der breiten Schneise des „Waldernters“ und den Wegweisern.
Ein markiertes Steiglein zweigt in den steilen Wald ab. Wir klettern über umgestürzte Bäume und unten durch – bis nichts mehr geht. Das letzte Stück des Aufstieges zu den Felsentoren ist mit mindestens 20 umgestürzten Bäumen gespickt, der Weiterweg lebensgefährlich. Wir müssen wieder hinunter zur Forststraße, der wir Richtung Lipsch-Hof folgen. Von hier aus haben wir freie Sicht zu den Felsentoren. Die Hochobir-Aspiranten haben mehr Glück. Sie erreichen den Gipfel, 2139 m.
Einige bleiben noch einen Tag länger und dann noch einen … Trotzdem kehren alle mit dem Gefühl heim, hier in den Karawanken noch sehr viel erledigen zu müssen.
Na skorajšnje snidenje!
Gertrude Reinisch-Indrich